Wann kommt AGI?

Wann haben wir eigentlich beschlossen, dass Intelligenz eine Ziellinie ist, die es zu überqueren gilt?

Mit diesem kurzen Text möchte ich einladen, AGI nicht als ein Ereignis zu betrachten, sondern vielmehr als ein individuelle Beziehungsaussage die im Rahmen von Interaktionen mit Maschinen-Intelligenzen in einem Kontext eingebettet sind.

Hä? – Alle Warten auf den großen Knall. Wir starren auf die Fortschrittsbalken im KI Wettrennen und fragen uns: wann der Moment kommt, in dem die Maschinen “erwachen” wird und die sagenumwobene AGI (Artificial General Intelligence) die Bühne betritt? Ich könnte mir vorstellen, dass wir uns dabei an einem Maßstab festklammern, der in unserer komplexen Realität gar keinen Bestand hat.

Eine mögliche Defition von Artificial General Intelligence (AGI):

„Ein Computersystem, das jede unbekannte kognitive Aufgabe genauso gut oder besser lösen und erledigen kann wie ein Mensch.“

Angenommen, wir würden Intelligenz nicht als Leiter betrachten, die man Sprosse für Sprosse erklimmt, sondern als ein weites, pulsierendes Netz. Würde sich unser Blick auf die Maschine dann nicht grundlegend ändern?

AGI und Wissens-Dynamik

Wir neigen dazu, Wissen wie ein Gebäude zu sehen: Daten bilden das Fundament, darauf stapeln wir Informationen, mauern Wissen in den ersten Stock und setzen die Weisheit als goldenes Dach obenauf. In diesem Bild sind KI-Modelle fleißige Bauarbeiter. Sie schaufeln gigantische Mengen an Rohdaten, sortieren sie in strukturierte Informationen und simulieren etwas, das wie Wissen aussieht.

In systemischen Modellen wie dem Nexus, das betrachtet, was unser eigentliches Verstehen ausmachen könnte, funktioniert das anders. Hier ist Wissen keine Statik, sondern ein Fluss. Daten erodieren; was gestern noch ein Fakt war, ist heute vielleicht schon bedeutungslos da neue Erkenntnise alle Ebene der Verarbeitung neu bedruchten. Weisheit entsteht nicht durch das bloße Aufschichten, sondern durch die dynamische Vernetzung, Verletzung und die Integration des Erlebten.

Maschinen-Wissen ist dagegen wie ein Insekt im Bernstein: perfekt erhalten, aber bisher eingefroren in der Zeit. Es fehlt der Herzschlag der Weisheit, der durch echte Erfahrung in der physischen Welt entsteht.

Aktuelle Modelle werden immer wieder neu “trainiert”, wachsen und gedeihen nicht und binden demnach auch keine eigene Erfahrungen oder Geschichte aus. Jedes neue Modell und jeder neue Chat ist “Amnesie”. (Episoden Gewissen). Die Entwicklung eines neuen Modells ist somit ein iteratives Design-Experiment, in der Hoffnung eine Struktur zu finden, die immer AGI ist.

AGI und IQ (Intelligenz Quotient)

Seit der Veröffentlichung im November 2022 ChatGPT träumen Menschen von einer nahen Zukunft in der die Maschine besser sein wird, als wir Menschen. Experten nennen immer noch diese fortwährenden ominösen 3 bis 5 Jahre, bis zum erreichen einer AGI.

Währenddessen werden die neuen Modelle laut IQ-Skalen immer schlauer und lassen uns als Menschen in Tests längst hinter sich. Dennoch fühlen ich die AGI bisher nicht.

Achtung: Schlechte Nachrichten für Menschen die einen IQ von 130 haben, inzwischen (12.2025) gibt es nach der Webseite TrackingAI.org etliche Modelle nach Test weit höhere Werte erreichen und prinzpiell nach dieser Definition “AGI” sind.

IQ ist wie ein Goldbarren, den wir versuchen auf eine Waage zu legen, die für Obst gemacht ist. Ein statischer Wert in einer dynamischen Welt. Intelligenz ist immer auch ein Kind ihrer Kultur und ihrer Zeit und wird regelmäßig für Stereotypisierung und Grandiosität genutzt um andere Menschen abzuwerten und auszugrenzen.

In meinen KI Workshops frage ich gerne: Wie würde wohl ein Mensch aus dem Mittelalter unsere heutigen KI-Modelle bewerten? Oder jemand aus einem völlig anderen Kulturkreis?

Hier wird klar: Die Maschine hat keinen eigenen kulturellen Kompass; sie spiegelt nur die Daten wieder, mit denen wir sie gefüttert haben. Werte und Haltung sind in diesen Informationen verwoben. Wenn Intelligenz nur am IQ gemessen wird, übersehen wir den Kontext und viele andere Aspekte. Intelligenz (wie auch immer geartet) braucht Zeit zum Reifen in der Realität um “Weise” zu sein und nicht nur so zu wirken.

Rennen wir mit diesem IQ Aspekt also einem Ziel hinterher, das eigentlich eine Illusion ist?

Wozu das Ganze?

Am Ende bleibt die Frage, die wir uns viel zu selten stellen: Wozu AGI?

Vielleicht sollten wir aufhören, AGI als eine messbare Spezifikation zu sehen, die man abhaken kann. Womöglich ist es vielmehr eine Beziehungsqualität. Nicht eine KI ist eine AGI sondern die Qualität der Antwort im individuellen Kontext ist AGI.

Wenn die Maschine Zusammenhänge sieht, die uns verborgen bleiben, weil unsere menschlichen Filter sie ausblenden, dann ist sie uns in diesem Moment überlegen (AGI)… und das ist okay so. Aus meiner Sicht kann und wird das per se aber nicht immer der Fall sein.

Die AGI-Qualität kann nur eine Einladung zur Demut sein. Eine Einladung zum Überwinden von eigenen Denkblokaden. Somit können wir die AGI-Qualität und -Momente nicht als Ersatz für unser Denken, sondern als Spiegel für unsere eigene Begrenztheit nutzen und daraus lernen. Vielleicht einer der konstruktiven und hilfreichen Gesellschaftlicher Aspkete die KI Entwicklung mit sich bringt.

Noch ist entspannung… Tag X wird wahrscheinlich so nicht kommen, Maschinen werden graduell besser werden. Solange könnten wir erkennen: Wahre Weisheit liegt nicht im Anhäufen von Informationen und Skalierung von Computer-Systemen, sondern in der Fähigkeit, das Wissen im Netz kontinuierlich neu zu knüpfen und ins Leben zu integrieren.

Einladung zum Schluss: Nutzen wir die Werkzeuge, um unser eigenes Netz dichter und lebendiger zu weben. KI braucht nach wie vor mehr Menschlichkeit.